Serie “Ernährung ist politisch”
In den letzten Monaten haben wir so einige Klarheit geschaffen, warum Ernährung eine hochbrisante weltpolitische Angelegenheit ist, nicht wahr? Das bestätigt viele unter uns, lokal und saisonal zu essen, selbst zu produzieren und auch zu kaufen. Heute geht es um eine vieldiskutierte Frage: Fleisch oder nicht? Dabei lassen wir beide Expertinnen zu Wort kommen.
Wie stehen Sie zum Fleischkonsum, Prof. Franger?
Ich bin keine Vegetarierin, aber mein eigener Fleischkonsum ist gering. Ich esse aber viel Käse, Joghurt und Quark. Tiere – auch Wiederkäuer – haben ja durchaus auch eine wichtige Funktion im Ökosystem. Dem Wahnsinn der Tierexporte- und -importe weltweit und grausame Massentierhaltungsmethoden müssen wir natürlich auch entgegentreten.
Frau Dr. Hudson, Sie sprachen provozierend von der Kuh als Klimaschützer, was meinen Sie damit?
Mich nervt, dass es einigen sehr von Interesse geleiteten Wissenschaftlern gelungen ist, die Kuh als Klimakiller hinzustellen – weil sie Methan rülpst und daher zur Verschlechterung des Weltklimas beiträgt.
Meine Freundin, die Tierärztin Anita Idel, hat dazu ein wunderbares kleines Buch geschrieben, das ich jedem nur empfehlen kann. Sie erklärt darin sehr schön, dass diese Herren Wissenschaftler dabei völlig übersehen haben, dass die Kuh, wenn sie denn ein Kuhleben leben darf, mit Weidegang und vielleicht sogar Almgang, dann auch selber einen wichtigen Beitrag zum Klimaschutz leistet: Indem sie nämlich in der Kombi von Gras abbeissen, düngen und Gras ordentlich treten, die Graswürzelchen zur verstärkten Aufnahme und Speicherung von CO2 anregt und auf diese Weise Tonnen von CO2 via Kuh in den Boden gelangen.
Die Kuh also generell als Klimakiller zu verurteilen ist – so Anita Idel -, als ob man von Autos nur sagen würde, sie töten Menschen. Dass sie Menschen aber auch von A nach B bringen wird bei dieser verengten Sichtweise unterschlagen.
So ist das bei der Kuh und dem Klima auch.
Und weil so viele Menschen unwissend dieses dumme Zeug von der Kuh als Klimakiller undifferenziert nachplappern, greife ich das gerne mal auf, um die Sache richtigzustellen: Eine Lanze für die Kuh als Kilmaschützer brechen, denn ihr Potential zum Klimaschützer wird leider immer noch viel zu sehr unterschätzt.
Prof. Dr. Gaby Franger ist Sozialwissenschaftlerin, betreibt Forschungen zu Menschenrechten und Sozialer Arbeit und Frauengeschichte. Sie ist Vorstand des Vereins: Frauen in der Einen Welt. Zentrum für interkulturelle Frauenalltagsforschung und internationalen Austausch; Kuratorin im Museum Frauenkultur Regional und International in Fürth, Bayern, u.a. der Ausstellung “Ausgekocht”, zu der auch eine Publikation im Jahr 2017 im Verlag “Frauen in der Einen Welt” erschienen ist. (www.frauenindereinenwelt.de)
Dr. Ursula Hudson ist Vorstandsvorsitzende von Slow Food Deutschland und Mitglied des Vorstands von Slow Food International. Die Kulturwissenschaftlerin und Autorin behandelt in ihren Vorträgen und Büchern vor allem das Thema Essen, dessen Geschichte und Kultur, die Regionalität von Lebensmitteln und die kulinarische Bildung. Sie hat von 1996 bis 2004 an den Universitäten von Cambridge und Oxford (UK) gelehrt und geht seit 2005 einer freien Forschungs- und Autorentätigkeit nach.
https://www.museia.it/2019/05/22/ausgekocht/
Publizistin, Autorin, Bloggerin und Erwachsenenbildnerin