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Was hat Macht mit dem Essen zu tun?

Beginn der Serie „Ernährung ist politisch“

Wir steigen immer mehr in die Thematik ein und haben das letzte Mal den Wahnsinn beschrieben bekommen, der mit den Tomaten getrieben wird. Das führt auch schon zu unserer nächsten Frage, der Macht – und was sie mit dem Essen zu tun hat. Darauf antwortet uns wieder Dr. Ursula Hudson von Slow Food.

Unsere neue Serie im Blog @kräuterkraft

 

Frau Dr. Hudson, sie äußerten den Spruch: „Wer das Saatgut besitzt, besitzt die Welt“…

Dieser Satz ist vom früheren US Außenminister Kissinger und lautet korrekt:

Wer das Saatgut besitzt, beherrscht die Welt.

 

Das ist angesichts der Tatsache, dass weltweit heute weniger als ein Dutzend großer Konzerne mehr als 75% des Saatgutmarktes weltweit beherrschen, recht alarmierend. Sie bestimmen nämlich irgendwann einmal, was wir essen.

Unsere Ernährunsgsouveränität ist durch zunehmende Marktkonzentration und Konsolidierung dieser Marktmächte extrem bedroht.

Die Konzentration zeigt sich in Deutschland beispielsweise auch daran, dass der gesamte Lebensmitteleinzelhandel von vier großen Playern beherrscht wird.

Foto: Pete Linforth auf Pixabay

 

Sie sagen, das Problem ist, dass Politik der Verursacher ist…

Die Politik – wenn es sie denn so gibt – steuert zu einem großen Teil das Geschehen im Bereich Lebensmittel. Der große EU-Block ist, was die Wirtschaftskraft und – macht angeht, einer der großen Player auf dem Weltmarkt. Die EU-Bauern arbeiten für diesen Weltmarkt, sie sind darin nur erfolgreich, wenn sie wettbewerbsfähig sind, d.h. wettbewerbsfähig auf dem Weltmarkt, für den sie via EU produzieren.

Diese Form der Wettbewerbsfähigkeit führt dann schnell zu dem, was wir unter ‚Wachse oder Weiche!‘ kennen. Größer werden, effizienter werden, oder aufgeben.

Das führt zu einer enormen Verlustrate von meist kleinen bäuerlichen Betrieben. Das führt wiederum zu einen Strukturwandel und weiter weg von Transparenz und Beziehungen, die wir vor allem im Bereich der Lebensmittelproduktion haben möchten!

Foto: Andrea Candraja auf Pixabay

 

Wenn man vom Weltmarktgetriebe einmal absieht, hat oder hätte die EU alle Möglichkeiten, die Ausrichtung der Landwirtschaft und damit unserer Lebensmittelerzeugung zu steuern – und zwar durch die Vergabe der Gelder an die Landwirte.

Die Gelder müssten an Leistungen des öffentlichen Interesses gebunden sein:

  • Artenvielfalt
  • Bodenschutz etc.
  • Vielfalt der Tiere im Stall
  • Kreislaufwirtschaft …

All das wäre möglich. Aber momentan sieht es nicht so aus, als ob die Kommission so etwas überhaupt nur andenken würde, geschweige denn umsetzen.

 

Wem gehört der Boden? Und wie wichtig ist das?

Boden, das ist interessant. Eigentlich müsste der Boden uns allen gehören und damit ein Gemeingut sein, unter die ‚Commons‘ fallen, wie das Meer auch.

Aber Boden ist bei uns Privatbesitz. Privates Eigentum verpflichtet… da könnte man ansetzen. Boden zu besitzen, sollte dazu verpflichten, ihn auch gesund, produktiv, fruchtbar zu erhalten. Denn wir brauchen fruchtbare Böden und die landwirtschaftlich genutzten Böden der Welt, vor allem, die, die in industrieller Manier, also mit Monokulturen, die viel externen Input brauchen, genutzt werden, verlieren ihre Fruchtbarkeit und das in rasantem Ausmaß.

Foto: Andreas160578 auf Pixabay

 

Jede Minute verlieren wir fruchtbare Böden in der Größe von 30 Fußballfeldern. Ein Drittel aller Ackerflächen weltweit ist bereits geschädigt. 95% unserer Lebensmittel werden direkt oder indirekt vom Boden erzeugt und sind somit auf fruchtbare Böden angewiesen. Man kann sich also leicht ausmalen, dass die Anzahl an Ernten, die der Boden unter den aktuellen Bedingungen noch hergeben wird, begrenzt sind, nicht wahr?

 

Ursula Hudson; Foto: Holger Riegel

 

Dr. Ursula Hudson ist Vorstandsvorsitzende von Slow Food Deutschland und Mitglied des Vorstands von Slow Food International. Die Kulturwissenschaftlerin und Autorin behandelt in ihren Vorträgen und Büchern vor allem das Thema Essen, dessen Geschichte und Kultur, die Regionalität von Lebensmitteln und die kulinarische Bildung. Sie hat von 1996 bis 2004 an den Universitäten von Cambridge und Oxford (UK) gelehrt und geht seit 2005 einer freien Forschungs- und Autorentätigkeit nach.

 

 

https://www.museia.it/2019/05/22/ausgekocht/

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